Oktober-Erinnerungen 2014
Ich erinnere mich an dem Abend, an dem ich in Bodhgaya angekommen bin, die Luft war warm und rauchig. Unser Taxifahrer wartete mit einem Schild vor dem Flughafen auf uns. Dann sehe ich zum ersten Mal die freilaufenden Kühe auf den Straßen, zahnlose Bettler halten mir ihre Schalen hin, unzählige dunkle Augen sind ständig auf mich gerichtet. Ich muss mich auf den Weg konzentrieren, die Unebenheiten, den sandigen Boden, die Plastikverpackungen und den Müll, ein Mopedfahrer hupt hinter mir, ein vorbeifahrender Rikscha-Fahrer drängt mich von der Straße – im nächsten Moment stolpere ich fast über einen schlafenden Straßenhund. Ein schlaksiger, junger Inder taucht neben mir auf und will wissen, von wo ich bin. Ich eile weiter, völlig desorientiert und heillos überfordert.
Ein alter Mann tritt mühsam die Pedale seiner Fahrrad-Rikscha. Dennoch hält er neben uns, den einzigen hellhäutigen Menschen und hofft, dass er Glück hat. Nein, wir sind zu Fuß unterwegs. Würden wir jedem Rikscha-Fahrer und Mopedfahrer zusagen, würden wir kaum noch ein Schritt zu gehen haben. Je näher wir dem Tempel im Zentrum kommen, desto mehr Bettler und Verkäufer folgen uns. „Bodhi-Seed-Mala, real Bodhi-Seed-Mala!“ , „Lotus Flowers!“, „Madame, have a look!“…
Das Ankommen in Indien war für mich immer mit einem Widerstand verbunden. Ein Widerstand die eigenen Denkmuster aufzugeben. Wie ein Rückwärtsgehen gegen seine Gewohnheiten. Denn Indien ist so anders, so ungewohnt im Vergleich zu allem, das ich bisher erlebt habe. Erst wenn man sich darauf einlässt – sich dem Fluss hingibt – entdeckt man die verborgenen Reichtümer. Es ist ein Land in dem sich nichts planen lässt, aber alles möglich ist.